Sechs hilfreiche Tools für Digitale Ethik

Sechs hilfreiche Tools für Digitale Ethik

Titelfoto: Hans Braxmeier, Pixabay

Immer wieder werde ich gefragt, wie digitale Verantwortung konkret umgesetzt werden kann. Ganz zentral ist hier die ethische Entwicklung von Services und Apps.

Die schnelle Technologie-Entwicklung stellt Entwickler:innen, Designer:innen und Entscheider:innen vor die Herausforderung Innovation und Ethik immer wieder miteinander in Einklang zu bringen. Obwohl jede/r der Beteiligten, das Beste möchte, wird bei der Entwicklung von digitalen Services dann nicht auf menschenbezogene Werte geachtet. Abkürzungen beim Design oder schlichtweg durch Druck fertig werden zu müssen, werden psychische, emotionale oder gesellschaftlich unterwünschte Auswirkungen übersehen.

Die zahlreichen negativen Auswirkungen, die in der Gesellschaft spürbar sind, zeigen, dass ethisches Design zum Standard in der Entwicklung werden muss. Dafür stehen heute bereits einfach anzuwendende Tools zur Verfügung, die in Teams und Gruppen ohne umfangreiche Vorbereitung und mit direktem Ergebnis eingesetzt werden können.

Sechs Tools, die mir „unter die Finger“ gekommen sind und die ich als hilfreich empfinde, beschreibe ich an dieser Stelle und verlinke sie für Euch. Eines davon habe ich selbst mit entwickelt.

Es sind

  1. Ethics Canvas von ADAPT Centre, Trinity College Dublin & Dublin City University
  2. Ethical Explorer des Omidyar Network [EN]
  3. Valueboard von WerteLabor [DE]
  4. Digital Product Ethics Canvas von “Threebility” [EN]
  5. Data Ethics Canvas von Open Data Institute [EN] [DE]
  6. Ethical Design Thinking von Facebook [EN]

Fühlt Euch inspiriert, diese Werkzeuge für Digitale Ethik anzuschauen und auch zu nutzen. Ich unterstütze gerne bei einer Bewertung, welches Tool am besten zu Euch und zu Eurer Organisation passt, oder bei der Einführung in Eure Bereiche und Projekte.

 

Ethics Canvas von ADAPT Centre, Trinity College Dublin & Dublin City University [EN]

https://www.ethicscanvas.org/

  • Beschreibung: Das Ethics Canvas stellt Stakeholder einer technischen Anwendung und ihre Beziehungen bzw. Konflikte untereinander. Es wurde vom BMC inspiriert und steht neben einer PDF-Version auch als einfach zu nutzendes und hübsch gestaltetes Online-Tool zur asynchronen Kollaboration zur Verfügung. Das Online Tool erlaubt nicht nur die Erstellung sondern auch ein Social Sharing von Ethic Canvases.
  • Nutzbarkeit: Das Canvas wird unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-SA 3.0 DE) zur Verfügung gestellt. Es ist inklusiv gestaltet. Der Code steht als Open Source zur Verfügung.
  • Zielgruppe: Alle, die an der Entwicklung und Gestaltung digitaler Technologien und neuer technologischer Lösungen in F&E sowie Innovation beteiligt sind. Heterogenität bei der Analyse explizit gewünscht.
  • Anwendungsbereich: Kollaboratives Instrument zur Erfassung der ethischen Auswirkungen von Technologien in Forschungs- und Innovationsumgebungen.
Ethical Explorer des Omidyar Network [EN]

https://ethicalexplorer.org/

  • Beschreibung: Der Ethical Explorer besteht aus einem Handbuch („Field Guide“) und acht Karten, die Risiken von Tech beschreiben („Tech Risk Zone Cards“). Er besticht durch seine herausragende grafische Gestaltung. Betrachtete Risikozonen sind z.B. Überwachung, Desinformation oder Bias durch Algorithmen. Mit beiden Tools ist es möglich Aktivitäten und Workshops durchzuführen und Impulse im Team zu setzen.
  • Nutzbarkeit: Download nach Namensnennung. Lizenzfreie Nutzung.
  • Zielgruppe: Produktmanager:innen, Designer:innen bis hin zu Ingenieur:innen und Gründer:innen.
  • Anwendungsbereich: Produktlaunch, Startup oder Software-Aktualisierung. Erkennung von Frühwarnzeichen, Dialog anregen und positive Lösungen entwickeln.
Valueboard von WerteLabor [DE]

https://wertelabor.de/

  • Beschreibung: Das Valueboard unterstützt die Reflexion der „nichttechnischen“ Wirkungen einer Tech-Anwendung in einer Gruppe. Sehr unterschiedliche gesellschaftliche Handlungsbereiche werden mit jeweils einer Kernfrage abgedeckt. Dabei besteht Raum für positive wie negative Wirkungen. Ergänzt wird das Valueboard durch 12 WerteZonen, die einen Orientierungsrahmen bilden.
  • Nutzbarkeit: Das Valueboard wird unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) zur Verfügung gestellt.
  • Zielgruppe: Entscheider, Produktverantwortliche und Designer.
  • Anwendungsbereich: Bei der Anwendung von Tech, d.h. vor Updates bestehender Apps, in Startups, Werte sichtbar und damit verhandelbar machen. Training der Wertesensibilität.

Persönlicher Hinweis: Das Wertelabor ist ein Projekt von Damian Paderta, nozilla – Gute digitale Dienste, und WiseWay.

Digital Product Ethics Canvas von “Threebility” [EN]

https://www.threebility.com/post/the-digital-product-ethics-canvas

  • Beschreibung: Der Digital Product Ethics Canvas ist nach dem gleichen Prinzip wie das Business Model Canvas (BMC) von Osterwalder und Pigneur aufgebaut. Es wurde inspiriert durch die Humane Tech-Initiative von Tristan Harris, die Kritik an den Sozialen Medien und insbesondere an der durch Facebook verbreiteten Aufmerksamkeitsökonomie übt.
  • Nutzbarkeit: Das Canvas wird unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) zur Verfügung gestellt.
  • Zielgruppe: Produktmanager:innen, UX-Designer:innen und Informationsarchitekt:innen.
  • Anwendungsbereich: Risiken digitaler Produkte für den Einzelnen und die Gesellschaft zu erkennen. Die dargestellten Risikobereiche zielen insbesondere auf Social-Media-Plattformen ab.
Data Ethics Canvas von Open Data Institute [EN] [DE]

https://theodi.org/article/the-data-ethics-canvas-2021/

  • Beschreibung: Das Data Ethics Canvas hilft, ethische Probleme beim Umgang mit Daten zu identifizieren und zu bewältigen. Er ist in sieben Sprachen sowie einem Moderatorenhandbuch und einem Whitepaper auf Englisch verfügbar. Der Canvas selbst besteht aus 12 Bereichen mit mehreren Fragen zum ethischen Datenmanagement sowie Umsetzungsimpulsen.
  • Nutzbarkeit: Das Canvas und die Materialien werden unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) zum Download zur Verfügung gestellt.
  • Zielgruppe: Datenwissenschaftler:innen, Datenanalyst:innen, Gestalter:innen, Entwickler:innen und Entscheider:innen in Organisationen, die Daten ethisch nutzen wollen.
  • Anwendungsbereich: Der Data Ethics Canvas ist für alle Phasen im Datenmanagement geeignet, von der Datensammlung, der Informationsgewinnung bis hin zur Entscheidung. Das Data Ethics Canvas bietet einen Rahmen für die Entwicklung ethischer Guidance, die für jeden Kontext geeignet sind, unabhängig von der Größe oder dem Umfang des Projekts.
Ethical Design Thinking von Facebook [EN]

https://medium.muz.li/the-state-of-ethics-in-design-60a1088f8358

  • Beschreibung: Die Ethical Design Thinking Methodenkarte besteht aus einem PDF-Formular und einer detaillierten Anweisung zur Durchführung eines 45-minütigen Workshops mit fünf Übungen. (Aus meiner Erfahrung wird zunächst mehr Zeit dafür benötigt.) Nach der Formulierung des Design Ziels werden persönlichen Werte sowie Produktwerte bestimmt, die dann auf Räume bezogen werden. Die Methodik stützt sich auf Value Sensitive Design von Batya Friedman und Peter Kahn jr. sowie auf „Time Well Spent“ ab. Mit dieser Erkenntnis kann ein Reframing des Design Ziels erfolgen.
  • Nutzbarkeit: Download von Google Drive. Lizenzfreie Nutzung.
  • Zielgruppe: Designer:innen, Forscher:innen, Ingenieur:innen, Produktmanager:innen und andere Stakeholder, um ein gemeinsames ethisches Ziel zu diskutieren.
  • Anwendungsbereich: Die Übungen sollen im Zusammenhang mit einem bestehenden Designprozess in Agenturen, Startups oder einem Produkt im Unternehmen angewendet werden.

 

 

Design Thinking mit Nachhaltigkeit: So geht´s!

Design Thinking mit Nachhaltigkeit: So geht´s!

„Werte und Wandel“: „Saskia Dörr, Sie sind Nachhaltigkeitsmanagerin. Was hat Design Thinking damit zu tun?“

Ich:„ Nicht nur bei Umgang von Wirtschaft und Gesellschaft mit der Digitalisierung stellen sich „boshafte Probleme“ – erst recht beim Lösen der globalen Probleme, wie Energieversorgung, Klimagerechtigkeit, fairer Zugang zu Bildung, Lebensmittelversorgung oder Artenvielfalt etc. Beim Finden von Wegen für nachhaltige Lösungen, die den Menschen dienen, kann Design Thinking helfen. Das ist für unsere Zukunft von großer Bedeutung.“  Das ganze Interview „Design Thinking – auf den Punkt!“ auf Werte und Wandel  (Danke, liebe Elita Wiegand!).

Die Innovationsmethode des „Silicon Valley“, die der SAP-Gründer Hasso Plattner nach Deutschland brachte, ist bestens geeignet, um auch nachhaltige, faire und grüne Lösungen zu entwickeln. Das liegt daran, dass sich mit Design Thinking „wicked problems“ (übersetzt als „boshafte Probleme“) angehen lassen. D.h. Probleme, die bisher gar nicht genau definiert oder beschrieben werden können und unklare Lösungswege haben. In der Disziplin der Logik, ist Design Thinking eine Anwendung der„Abduktion“ –  das ist ein hypothetischer Schluss vom Einzelnen und einer Regel auf eine Regelmäßigkeit (mehr dazu im Vortrag „Innovationsmethode Design Thinking“ von Prof. Oliver Kretzschmar). Dieses Vorgehen unterscheidet Design Thinking von anderen Innovationsmethoden.

Wir alle wissen, dass wir anders wirtschaften und konsumieren müssen, um die Ressourcen des Planeten zu schützen und nicht weiter zu übernutzen. Viele Unternehmen haben es sich zur Aufgabe gemacht Produkte und Services umweltfreundlicher, ressourcenschonender und fairer  anzubieten und lassen sich z.B. von Zero Waste, SoLaWi oder Fairem Handel inspirieren. Denn: auch Konsumenten achten inzwischen auf Nachhaltigkeit.

Um in Sachen Innovation die Nase vorn zu behalten, nutzen nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen, Umweltmanager, „Ecopreneure“ und Green Startups daher Design Thinking. Aber wie kommt die Nachhaltigkeit in das Design Thinking? Wie gestaltet sich ein Design-Thinking-Prozess für Nachhaltigkeitsinnovation?

Leider reicht es nicht aus, einfach mit einem Design-Thinking-Workshop loszulegen. Es müssen ein paar Voraussetzungen gegeben sein, um mit Design Thinking nachhaltige Services und Produkte zu gestalten. Dazu zählen beispielsweise:

  • Die Teammitglieder, denen Nachhaltigkeit besonders am Herzen liegt
  • Der Moderator, der für Nachhaltigkeit steht, und sie in den Workshop „einwebt“
  • Der nachhaltige Unternehmenskontext

Im Folgenden möchte ich diese Punkte genauer beleuchten.

Teammitglieder

Design Thinking lebt von der Heterogenität der Teammitglieder und ihrer Bereitschaft, ihre unterschiedlichen Ideen zu teilen. Es geht  nicht darum, für das Nachhaltigkeits-Design-Thinking „Ökos“ zu versammeln. Aber die Teammitglieder sollten Erfahrungen mit der Nutzung nachhaltiger Produkte haben und auch den Wunsch haben, sich für Nachhaltigkeit einzubringen. Je nach Challenge ist es wichtig ExpertInnen für Nachhaltigkeit, Energieeffizienz etc. dabei zu haben. Wichtig ist daher auch das entsprechende Briefing des Teams: „Dare to be wild for sustainability!“ – Traue Dich wild für Nachhaltigkeit zu sein! Damit geht es schon mal in die richtige Richtung.

Design-Thinking-Moderator mit Nachhaltigkeitskompetenz

Impulse für Nachhaltigkeit können an verschiedenen Stellen im Design Thinking eingebracht werden.  Sei es beim WarmUp, bei der Gestaltung der Persona, im Brainstorming oder beim Nutzer-Feedback. Der Moderator und Coach sollte diese Nachhaltigkeitsimpulse bereits in der Vorbereitung des Workshops und die Arbeitsunterlagen integrieren, damit sie einen festen Bestandteil im Workshop haben. Dafür muss der Moderator entsprechende Kompetenz in Sachen Nachhaltigkeit haben und das Thema auch sicher einflechten können. Das erleichtert die Akzeptanz im Team und ermöglicht einen erfolgreichen Verlauf.

Ich habe für WiseWay ein „Sustainability Design Lab“ –  ein Design Thinking für Nachhaltigkeit – entwickelt. Dabei webe ich an verschiedenen Stellen Nachhaltigkeitsaspekte ein. Beispielsweise lasse ich die Persona nach Aspekten eines nachhaltigen Lebensstils entwickeln, bringe zukunftsorientierte Lebensstile ein und gestalte das Brainstorming so, dass Assoziationen zu gesellschaftlichen Herausforderungen geweckt werden. In der Umsetzung nutze ich ein Business Model Canvas, das neben wirtschaflichen auch soziale und ökologische Perspektiven einnimmt.

Nachhaltiger Unternehmenskontext

Ein Design-Thinking-Workshop ist keine „Stand alone“-Maßnahme – es sei denn es handelt sich um einen „Schnupper-Workshop“ oder ein Training. Für alle Beteiligten ist es daher unabdingbar zu verstehen, auf welches Unternehmensziel das Design Thinking abzielt und welche Ressourcen zur Verfügung stehen, um das Produkt oder die Lösung zu entwickeln. Für Nachhaltigkeitsinnovationen ist es wichtig, den Design-Thinking-Prozess in die Nachhaltigkeitsprinzipien und -werte des Unternehmens einzubetten. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die ganz unmittelbare Wirkung des Workshop-Raums, der einen Bezug zur Natur widerspiegeln und inspirieren kann.

So kann Design Thinking auch angewendet werden, um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens durch mehr Engagement der Beschäftigten Realität werden zu lassen. Es entsteht eine Win-Win-Situation, denn Mitarbeitende wünschen sich, ihre Nachhaltigkeitsorientierung in höherem Maß als bislang möglich am Arbeitsplatz einzubringen  (Informationen zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu finden sich hier).

Aktuell hat ein Wissenschaftlerteam  (u.a. mit TU Berlin und der Alanus Hochschule aus dem Rhein-Sieg-Kreis) eine Methode zur Entwicklung von Nachhaltigkeitsinnovationen durch Mitarbeiter mittels Design Thinking vorgestellt. Viele der Erkenntnisse decken sich mit meinen Erfahrungen aus der Praxis. Gerade auch wegen ihrer Umsetzungsorientierung bringt diese wissenschaftliche Arbeit einen echten Mehrwert für Organisationen und Unternehmen. So werden beispielsweise umfangreichen Templates für die Durchführung von Workshops zur Verfügung gestellt. Weitere Information zu Design Thinking für Nachhaltigkeit finden sich auf dieser Website.  Selbst erfahren kann man die Methode in Workshops, die 2018 angeboten werden – bei Interesse hier entlang.

Mein Fazit: Design Thinking kann der Nachhaltigkeit und den Innovationen für nachhaltige Produkte und Services nutzen. Ich würde mich freuen, wenn wir sehr viel mehr davon sehen würden und stehe gerne zur Verfügung!

Quellen

Hasso-Plattner-Institut (2018): Design Thinking. https://hpi.de/

Kretzschmar, O. (2015): Innovationsmethode Design Thinking. Hochschule der Medien Stuttgart.

Schrader, U. & Harrach, C. (2014): Nachhaltig leben und arbeiten.  TU Berlin. http://nachhaltig-leben-und-arbeiten.de

Schrader, U. et al. (2018): Design Thinking für Nachhaltigkeit. http://www.nachhaltigkeitsinnovation.de/

Werte und Wandel (2018): Design Thinking – auf den Punkt!  Ein Interview mit Dr. Saskia Dörr. https://werteundwandel.de/inhalte/design-thinking-auf-den-punkt/

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