Der 26. Januar 2022 war ein guter Tag für die Europäer:innen! An diesem Tag legte die Europäische Kommission eine Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen für alle in der EU vor. Ziel sei es, „einen europäischen Weg für den digitalen Wandel anzustreben, in dessen Mittelpunkt die Menschen stehen.“ Er solle auf europäischen Werten beruhen und allen Menschen und Unternehmen zugutekommen.

European Commission (2022) Digital Rights and Principles Factsheet. German. https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/digital-rights-and-principles-factsheet
Dies ist ein grundlegender und notwendiger politischer Schritt, der die Arbeit so vieler Menschen unterstützt, mit denen ich die Überzeugung teile, dass Daten, Technologie und Algorithmen den Menschen und dem Planeten dienen müssen.
Margrethe Vestager, Kommissionsvizepräsidentin, erklärte dazu: „Wir wollen sichere Technologien, die für die Menschen funktionieren und unsere Rechte und Werte achten, auch wenn wir online sind. Und wir wollen, dass jeder in die Lage versetzt wird, sich aktiv an unseren zunehmend digitalisierten Gesellschaften zu beteiligen. Diese Erklärung gibt uns einen klaren Bezugspunkt im Hinblick auf die Rechte und Grundsätze in der Online-Welt.“
Vollständige Pressemitteilung und Zugang zur Erklärung der Europäischen Kommission hier https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_452
Digitale Rechte und Grundsätze
In der Präambel heißt es: „Alle Menschen in der EU sollten für sich das Beste aus dem digitalen Wandel machen können. Die digitalen Rechte und Grundsätze werden die EU bei der Förderung einer inklusiven, wohlhabenden und nachhaltigen Gesellschaft leiten. Die Erklärung ist die weltweit erste ihrer Art. Sie wird ein Bezugspunkt für alle sein und als Leitfaden für politische Entscheidungsträger und für Unternehmen dienen, die digitale Technik entwickeln. Die digitalen Rechte und Grundsätze werden sich in den Maßnahmen der EU, ihrer künftigen Arbeit und der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern widerspiegeln.“
Die von der EU-formulierten digitale Rechte und Grundsätze sind folgende:
- Die Menschen im Mittelpunkt: Digitale Technik sollte die Rechte der Menschen schützen, die Demokratie stärken und sicherstellen, dass alle Akteure der digitalen Welt verantwortungsvoll und sicher handeln. Die EU tritt weltweit für diese Werte ein.
- Solidarität und Inklusion: Technik sollte die Menschen einen, nicht spalten. Jeder sollte Zugang zum Internet, zu digitalen Kompetenzen, zu digitalen öffentlichen Diensten und zu fairen Arbeitsbedingungen haben.
- Wahlfreiheit: Die Menschen sollten Zugang zu einem fairen Online-Umfeld haben, und vor illegalen und schädlichen Inhalten geschützt werden. Sie sollen über die nötigen Kompetenz für den Umgang mit neuer und sich weiterentwickelnder Technik, wie künstlicher Intelligenz, verfügen.
- Teilhabe: Bürgerinnen und Bürger sollten in der Lage sein, sich auf allen Ebenen am demokratischen Prozess zu beteiligen, und die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben.
- Schutz und Sicherheit: Das digitale Umfeld sollte sicher und geschützt sein. Alle Nutzer – ob jung oder alt – sollten in ihrer Handlungskompetenz gestärkt und geschützt werden.
- Nachhaltigkeit: Digitale Geräte sollten die Nachhaltigkeit und den ökologischen Wandel unterstützen. Die Menschen sollten die Umweltauswirkungen und den Energieverbrauch ihrer Geräte kennen.
Download des Factsheets hier https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/digital-rights-and-principles-factsheet
Wunsch der EU-Bürger:innen
Einer Eurobarometer-Sonderumfrage vom September und Oktober 2021 zufolge wird die Idee von der großen Mehrheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger unterstützt. 82 % halten es für „sinnvoll, dass die Europäische Union eine gemeinsame europäische Vision für digitale Rechte und Grundsätze festlegt und fördert.“

European Commission (2022) Digital Rights and Principles Factsheet. German. https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/digital-rights-and-principles-factsheet
Begründet liegt dies in der wachsenden Bedeutung der Digitalisierung für den Alltag sowie wachsender Bedenken hinsichtlich schädlicher Wirkungen.
- Mehr als die Hälfte (56 %) der befragten EU-Bürgerinnen und ‑Bürger gaben an, sie seien besorgt über Cyberangriffe und Cyberkriminalität wie Diebstahl oder Missbrauch personenbezogener Daten, Schadsoftware oder Phishing.
- Mehr als die Hälfte (53 %) der Befragten Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Wohlergehens von Kindern in der digitalen Welt.
- Fast die Hälfte (46 %) äußern sich besorgt hinsichtlich der Verwendung personenbezogener Daten und Informationen durch Unternehmen oder öffentliche Verwaltungen.
- Etwa ein Drittel (34 %) der EU-Bürgerinnen und ‑Bürger findet es schwer, offline zu gehen und im Alltag ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Online- und Offline-Zeit zu finden.
- Ein Viertel (26 %) machen sich Gedanken über die Schwierigkeit, neue digitale Kompetenzen zu erwerben, die für eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft erforderlich sind.
- 23 % der befragten EU-Bürgerinnen und-Bürger an, dass sie im Hinblick auf die Umweltauswirkungen digitaler Produkte und Dienstleistungen beunruhigt sind.
Mehr zur Studie unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_21_6462
Mein Fazit
Es ist herausragend, dass die EU damit die erste politische Institution ist, die solche digitalen Rechte und Grundsätze formuliert. Damit wird auch deutlich, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichen, sondern an die digitale Welt angepasst und erweitert werden müssen. Genau das ist die Ausgangsbasis auch für Corporate Digital Responsibility (im Vergleich zur CSR).
Mir persönlich gehen die digitalen Rechte und Grundsätze in ihrer Abstraktion und Verbindung zur Nachhaltigkeit und den Sustainable Development Goals nicht weit genug. Die Risiken für die Demokratie, Menschenwürde und Freiheitsrechte werden nicht ausreichend vertieft. Aber sie greifen eine Reihe der „unerwünschten Nebenwirkungen der Digitalisierung“ auf, die ich bereits in meinem „Praxisleitfaden Corporate Digital Responsibility“ im Jahr 2020 beschrieben habe. Sie bringen die Prinzipien, die wir im Internationalen CDR Manifesto für ein verantwortungsvolles Handeln für Organisationen formuliert haben, auf eine grundsätzliche politische Ebene.
Eine breite Umsetzung in Europa und insbesondere Deutschland kann nicht warten, denn die Risiken treten heute bereits ein. Einerseits sollte eine Umsetzung durch Verbraucheraufklärung, andererseits durch Regulierung sowie durch steuernde Maßgaben für CDR (z.B. Integration in das Sustainability Reporting) erfolgen. Nur wenn wir in Politik und Gesellschaft die Risiken der Nutzung von personenbezogenen Daten, von neuen Technologien und Algorithmen ernst nehmen, ihren Schaden eindämmen, Innovation für Technologien mit hohem positiven gesellschaftlichen Impact anstoßen sowie uns für eine verantwortungsvolle Nutzung einsetzen, können wir die Vorteile der Digitalisierung zum Wohl aller nutzen.