
Nachhaltige Softwarebeschaffung: Die richtige Balance zwischen Ökologie, Autonomie und Wirtschaftlichkeit finden
Die fortschreitende Digitalisierung bietet mittelständischen Unternehmen zahlreiche Chancen – gleichzeitig rücken Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte immer stärker in den Fokus. Bei der Beschaffung von Software ist es daher unverzichtbar, neben den klassischen Kriterien (wie Funktionalität und Kosten) auch ökologische, soziale und unternehmerische Verantwortung zu berücksichtigen. Am 16. Januar ludt die Fachgruppe Digitales des Bundesverbands nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) Mitgliedsunternehmen zur Sprechstunde ein. Im Fokus stand das Thema „Nachhaltige Software“. Ziel war es Impulse zum Thema zu geben sowie praktische Tipps und Best Practices zu diskutieren, mit denen Unternehmen ihre Software-Beschaffung und -Entwicklung umweltfreundlicher, ressourcenschonender und zukunftsfähiger gestalten können.
Wesentliche Elemente meines Beitrags zu Beschaffungskriterien für nachhaltige Software habe ich in diesem Blogpost zusammengestellt. Damit erhalten Entscheider:innen, CIOs und IT-Verantwortliche im Mittelstand einen Überblick, welche Abwägungen zu treffen sind, um Software langfristig nachhaltig, ressourcenschonend und zukunftsfähig einzusetzen. Die Mindmap illustriert den Gesamtzusammenhang.
Nachhaltigkeit bei Software: Effizienz und Autonomie
Ein wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Software ist ihre Effizienz im Umgang mit IT-Ressourcen. Diese Effizienz betrifft sowohl den Energieverbrauch als auch den Bedarf an Speicher- und Rechenleistung. Gleichzeitig sollte Software so konzipiert sein, dass Anwender:innen möglichst autonom agieren und über die Datennutzung selbst bestimmen können. Ein wichtiger Aspekt im Sinne der Nachhaltigkeit ist, dass eine Software nur so viele Ressourcen beansprucht, wie tatsächlich benötigt werden. Überdimensionierte Funktionen, unnötige Hintergrundprozesse oder intensive Datenübertragungen belasten nicht nur das System, sondern auch die Umwelt durch erhöhten Energiebedarf. Eine langfristige Nutzung und Weiterentwicklung der eingesetzten Lösungen wird durch transparente und gut dokumentierte Schnittstellen erleichtert. Offene Standards und ein modularer Aufbau sorgen dafür, dass einzelne Komponenten besser ausgetauscht oder an neue Anforderungen angepasst werden können. Dadurch lassen sich technische Abhängigkeiten reduzieren und Update-Zyklen kontrollierter gestalten. Software, die unabhängig von einer permanenten Internetanbindung funktioniert und auf Werbung verzichtet, senkt den ständigen Datenaustausch. Offlinefähigkeit reduziert den Energieaufwand, weil nicht fortlaufend Daten übertragen werden müssen. Werbefreiheit verhindert zusätzliche (oft unkontrollierte) Datenströme und erhöht die Autonomie der Anwender:innen, da weniger Drittanbieter-Systeme eingebunden werden.
Green IT für Ressourcen- und CO₂-Effizienz
Green IT setzt den Fokus auf die Energie- und Ressourceneffizienz in der Informationstechnologie. In der Vergangenheit lag der Fokus dabei oft auf dem effizienten Betrieb. Dabei kann auch die Auswahl von Software, die Ressourcen spart, sich positiv auf die Treibhausgasemissionen auswirken. Für Green IT gilt heute eine Cloud-Infrastruktur häufig als Mittel der Wahl, denn zentrale Rechenzentren können deutliche Skaleneffekte erzielen. Große Anbieter setzen oft auf hochoptimierte Rechenzentren, die im Vergleich zu rein lokalen (On-Premise-)Infrastrukturen effizienter und energieärmer arbeiten. So können Unternehmen ihren Energieverbrauch senken und gleichzeitig Hardware-Abfälle reduzieren, da weniger Einzelsysteme gekauft und betrieben werden müssen. Das Teilen von Ressourcen in der Cloud trägt dazu bei, die Auslastung von Servern zu optimieren. Während lokale Server häufig nur eine geringe Auslastung erreichen, wird in der Cloud eine bessere Lastverteilung ermöglicht. Dies senkt den Stromverbrauch und damit auch die CO₂-Emissionen – ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaschutz.
Zielkonflikte: Ökologische Effizienz vs. Nutzungsautonomie
Trotz aller Vorteile sollten Entscheider:innen, CIOs und IT-Verantwortliche im Mittelstand berücksichtigen, dass Cloud-Lösungen eine stärkere Abhängigkeit von externen Dienstleistenden bedeuten. Ebenso kann die Datenkontrolle eingeschränkt sein, da sensible Informationen in fremden Rechenzentren gespeichert werden. Darüber hinaus bestehen potenzielle Datenschutzrisiken, vor allem wenn die Serverstandorte außerhalb der EU liegen oder die Prozesse nicht ausreichend transparent sind. Durch eine Cloud-Strategie kann zwar häufig eine bessere Ressourcennutzung erreicht werden, doch nicht jeder Anwendungsfall eignet sich dafür. Wenn Unternehmen eine hohe Autonomie und Datenkontrolle benötigen, kann eine On-Premise-Lösung oder eine hybride Variante sinnvoller sein. Entscheider:innen und IT-Führungskräfte stehen damit oft vor einem Zielkonflikt zwischen optimierter Ressourcennutzung und dem Wunsch nach höchstmöglicher Selbstbestimmung.
Nachhaltige Digitalisierung als Gesamtstrategie: Abwägungen bei der Software-Beschaffung
Verfolgt ein Unternehmen ein nachhaltige Digitalisierung als Strategie, könnten sollten folgende Abwägungen bei der Software-Beschaffung erfolgen:
- Ökologische Vorteile von Cloud-Lösungen vs. verringerte Nutzungsautonomie
Cloud-Anwendungen punkten mit Energieeffizienz und geringeren Hardware-Anschaffungen. Gleichzeitig geben Unternehmen jedoch einen Teil ihrer Entscheidungsfreiheit und Datenhoheit an den Anbieter bzw. die Anbieterin ab. - Externe Abhängigkeiten und Datenschutzaspekte gegenüber vollständiger Kontrolle bei On-Premise
Entscheider:innen, CIOs und IT-Verantwortliche müssen evaluieren, ob die vorhandene IT-Kompetenz im Unternehmen ausreicht, um eine On-Premise-Infrastruktur nachhaltig zu betreiben. Steht der Schutz sensibler Daten im Vordergrund, kann sich eine lokale Lösung anbieten – verbunden mit höheren Kosten und gegebenenfalls höherem Energieverbrauch. - Langfristige Perspektive: Software sollte unabhängig, gut dokumentiert und erweiterbar sein
Software, die auf offenen Standards basiert, modular aufgebaut ist und ausführlich dokumentiert wird, kann bei veränderten Anforderungen langfristig ohne großen Aufwand angepasst werden. Damit sichern sich Unternehmen ihre Handlungsfähigkeit für die Zukunft. - Betrachtung des gesamten Ökosystems: von Hardware und Software bis hin zu Supportbedingungen
Bei einer nachhaltigen Beschaffung sollten neben Software und Infrastruktur auch der Support, der Updateservice sowie die Verfügbarkeit von Entwicklungsressourcen berücksichtigt werden. Eine Lösung, die jetzt vielleicht weniger ressourceneffizient erscheint, könnte durch langfristige Nutzung und geringere Umstiegsaufwände auf lange Sicht umweltfreundlicher und kostengünstiger sein. - Ziel: Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl ökologischen als auch wirtschaftlichen Nutzen generiert
Einseitige Entscheidungen zugunsten kurzer Kostenersparnisse bergen das Risiko, später hohe Aufwände in Form von Wechselkosten, Integrationsschwierigkeiten oder technischen Altlasten zu verursachen. Eine nachhaltige Perspektive berücksichtigt neben dem direkten Ressourcenverbrauch auch die langfristige Lebensdauer, Integrationsfähigkeit und Weiterentwicklung der Software.
Fazit für Entscheider:innen, CIOs und IT-Verantwortliche im Mittelstand
Eine nachhaltige Softwarebeschaffung ist mehr als nur der Griff zur vermeintlich „grünen“ Lösung. Vielmehr erfordert sie ein ganzheitliches Vorgehen, bei dem ökologische Effizienz, Autonomie und langfristige Nutzbarkeit gleichermaßen im Blick bleiben. Gleichzeitig integriert sie sich nahtlos in eine umfassende, nachhaltige Digitalisierungsstrategie, in der IT-Ressourcen optimal genutzt werden und alle Prozesse möglichst energieeffizient gestaltet sind.
Entscheider:innen, CIOs und IT-Verantwortliche sollten daher:
- Softwarelösungen bevorzugen, die ressourceneffizient, modular und transparent sind.
- Cloud-Optionen für ihre Energie- und Ressourceneinsparungen in Betracht ziehen, dabei jedoch externe Abhängigkeiten, Datenschutz und Datensouveränität nicht aus den Augen verlieren.
- On-Premise-Lösungen dort einsetzen, wo notwendige Kompetenzen vorhanden sind und hohe Datensensibilität sowie Autonomie oberste Priorität haben.
- Langfristig denken, um Wechselkosten und den ökologischen Fußabdruck nachhaltig zu minimieren.
Wer bei der Softwarebeschaffung diese Abwägungen vornimmt und in eine übergeordnete Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstrategie einbettet, schafft die Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen langfristig sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich erfolgreich agieren kann.
Praktische Checkliste für nachhaltigkeitsorientierten Software-Einkauf zum Download
Als Handreichung zur Umsetzung habe ich eineCheckliste für den nachhaltigkeitsorientierten Software-Einkauf entwickelt , die ich hier zum Download bereit stelle. Sie ist ein kompaktes, praxisnahes Tool, das CIOs und IT-Verantwortlichen im Mittelstand dabei hilft, ökologische, ökonomische und funktionale Anforderungen bei der Beschaffung neuer Softwarelösungen systematisch zu bewerten.
Was die Checkliste auszeichnet:
- 27 Fragen in kompakten Kategorien (z. B. Ressourceneffizienz, Green-IT-Aspekte, Integration in Nachhaltigkeitsstrategie), die relevanten Dimensionen abdecken.
- Klare Ja/Nein-Kriterien für schnelle Einschätzung, ergänzt durch Bemerkungsfelder für individuelle Anmerkungen.
- Umfassende Betrachtung von Cloud- und On-Premise-Optionen, CO₂-Bilanzen, Datenschutz sowie langfristiger Wartung und Support.
- Praktische Hilfestellungen: Pilotphasen, Vergleich mehrerer Anbieter, Berücksichtigung von Zertifizierungen und Empfehlungen.
- Lebenszyklusperspektive: Berücksichtigt Beschaffung, Betrieb, Wartung und mögliche Migration für eine nachhaltige Gesamtstrategie.
Download der Checkliste für für nachhaltigkeitsorientierten Software-Einkauf
Die Checkliste ermögicht einen ganzheitlichen Blick auf Nachhaltigkeit und bietet damit eine strukturierte Vorgehensweise, die nicht nur Umweltaspekte, sondern auch Kosten- und Compliance-Fragen einbezieht. Sie ist eine strategische Entscheidungsgrundlage für die Beschaffung von Software für CIOs und IT-Verantwortliche.
Selbstverständlich kann sie keine Beratung ersetzten. Kommen Sie bei weiteren Fragen gerne auf mich zu!